ยซDie Spinne zeigt uns, wie Gott die Welt erschaffen hat.
Schaut sie euch an, wenn sie ihr Netz spinnt: zuallererst sondert sie eine Flรผssigkeit aus, die, wenn sie sich erhรคrtet, einen sehr feinen, weichen, elastischen Faden formt; und dann beginnt sie, ihr Netz zu spinnen. Auch die Schnecken waren meine Lehrer.
Die Schnecke hat einen weichen Kรถrper, ihr Haus aber ist hart.
Auf den ersten Blick sieht man nichts, was der Schnecke und ihrem Haus gemeinsam wรคre; und doch ist es der Schneckenleib, der das Haus abgesondert hat; nach und nach wird es grรถรer, weil die Schnecke die Materieteilchen auseinander schiebt. Die Schnecke unterscheidet sich von ihrem Haus, aber sie selbst hat es aus sich ausgesondert und vergrรถรert.
Dieses Bild ermรถglicht es zu verstehen, daร Gott die Welt geschaffen hat, indem er eine feinstoffliche Materie aussonderte, die sich dann verhรคrtet hat.ยป
O.M. AIVANHOF
Nature humaine et nature divine
(Deutsch.: Die menschliche und gรถttliche Natur in uns)
Dieser einfache Text hat den Vorteil zweier aussagekrรคftiger Bilder der Lehre, die der Esoterik zugrunde liegt: der Lehre von der Emanation.
Nach dieser Doktrin sind alle Dinge in Gott โ daher das Wort Pan-en-theismus -, aus dem sie hervorstrรถmen und in dem sie am Ende eines langen Prozesses der Involution/Evolution wieder resorbiert werden.
Der Grund, warum die Vielheit der Wesen in Gott erscheint, ist nicht immer klar formuliert; man sagt, es handle sich um ein im Gรถttlichen liegendes Gesetz, das sich als eine Energie darstellt, die einem zyklischen Rhythmus unterworfen ist.
Manche Autoren sind zweifelsohne von den Strรถmungen des deutschen Idealismus beeinfluรt, wenn sie versuchen, das Phรคnomen โrationellโ zu erklรคren; das gilt z.B. fรผr F. Aster Barnwell, wenn er sagt: ยซGott will sein eigenes Sein erweitern.
Der erste Akt dieses Willens zur Ausdehnung erfordert, daร sich Gott โauf ein Risiko einlรครtโ, daร er es seiner Essenz gestattet, sich nach auรen zu verstrรถmen, seine Vibrationen durch das hindurch zu schicken, was wir den Raum nennen.
Im Verlauf der nach und nach erfolgenden Ausdehnung werden sie langsamer und kommen in der Materie zum Halt.
Die Prรผfung besteht nun fรผr Gott darin, sich auรerhalb seiner selbst, in der Materie wieder zu finden. Das wird erreicht, indem er die Materie mit Leben versieht, um sie zu ihrer Quelle zurรผckzufรผhren, was in der Natur den Prozeร der โEvolutionโ zum Ergebnis hat. Es handelt sich allerdings nicht um die mechanistische Evolution Darwins, sondern um eine โEvolutionโ, bei der das Bewuรtsein im Inneren der Materie erwacht.
Wenn dieses Erwachen eine bestimmte kritische Phase erreicht, mรผssen gewisse Lรคuterungen stattfinden, bevor sich die Wiedervereinigung mit Gott ereignen kann. An diesem Punkt betritt der Mensch die Szene. รber die Menschheit muร der auf Gott zufรผhrende Impuls gelรคutert werden, und dies mit der Kooperation jenes Willens, der sich im Inneren der Materie befindet. Dieser in der Materie liegende Wille will Trennung, will Individualisation.
Die Verantwortung der Menschenrasse besteht nun darin, sich der Notwendigkeit bewuรt zu werden, sich dem Willen Gottes zu unterwerfen, also den Eigenwillen aufzugeben. Das Sein Gottes wรคchst, wenn der Mensch um Gottes Willen freiwillig auf die Suche nach dem Ich und auf seinen Eigenwillen verzichtet. Wenn dies geschieht, dann wird das, was Gott von sich selbst nach auรen entsandt hat, zu Ihm zurรผckgekehrt sein 1.ยป
Dieser ganze Prozeร verwirklicht sich in Gott, der sich demnach in gewisser Weise seiner selbst bewuรt wird, und zwar zunรคchst durch den involutiven Vorgang (Herabstieg des Gรถttlichen in die Materie) โ dann durch den evolutiven (Rรผckkehr zur Quelle des in der Materie verborgenen gรถttlichen Funkens, der im Menschen sich seiner selbst bewuรt geworden sein soll).
Die gรถttliche Ausstrahlung gerinnt zur Materie, zur letzten Undurchsichtigkeit der gรถttlichen Energie, die in Bezug zum Geist als das โganz Andereโ erscheint. Demnach soll das Gรถttliche durch den Widerstand in dem, was ihm als das โganz Andereโ erscheint, zum Bewuรtsein seiner selbst kommen. Es mรผรte dann noch die Illusion der Andersheit รผberwinden, um seinen durch die Erfahrung dieses ganzen Prozesses bereicherten Ursprungszustand wiederzufinden.
Bei der Anschauung, die von der Schรถpfung ausgeht, gibt es im Inneren des gรถttlichen Seins keine Transformation: Gott erschafft nicht aus seiner eigenen Substanz, sondern indem er durch sein allmรคchtiges Wort in die Existenz ruft, was in keiner Weise existierte.
Die innere Dynamik der Kreatur besteht in einem auf Gott gerichteten Drang, wobei Gott sich ihr als ihr hรถchstes Gut darbietet: ยซDu hast uns auf dich hin โ ad te โ geschaffenยป, schreibt Augustinus, ยซund unser Herz ist unruhig, solange es nicht ruht in dir 2 ยป.
Das Ende der Reise ist nicht die Verschmelzung im Identischen, sondern die Einheit in der Liebe, die die absolute und ganz und gar wirkliche Andersheit Gottes und den ontologischen Unterschied zwischen dem Schรถpfer und seinem Geschรถpf respektiert.
Alles ist auf die absolute Initiative Gottes hingeordnet, der sich in seinem schรถpferischen Wort als VATER offenbart, der aus dem Nichts ein Wesen hervorbringt, das mit einem reflexiven Bewuรtsein und mit Freiheit ausgerรผstet ist, damit es auf seinen Ruf antworten und mit ihm in einen Dialog der Liebe eintreten kann, der fรผr die Ewigkeit bestimmt ist.
Notes :